Aus dem ETF-Magazin: "Kampf gegen die Inflation"

2022-10-26 10:12:47 By : Ms. Jinshi Tian

Angesichts steigender Teuerungsraten werden Anleihen mit integriertem Inflationsschutz wieder spannend, findet das ETF Magazin. Doch diese Anleihen böten noch weitere Vorteile. Mehrere ETFs erleichtern den Zugang.

6. September 2021. FRANKFURT (Deutsche Börse). Jetzt ist es passiert. Zum ersten Mal seit 13 Jahren liegt die deutsche Inflationsrate wieder über 3 Prozent. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamts stiegen die Verbraucherpreise im Juli um 3,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Experten nennen verschiedene Gründe für die Teuerung. Zum einen seien wegen der weltweiten Konjunkturerholung nach dem Corona-Einbruch die Preise für Öl und Benzin stark gestiegen, zum anderen hätten Unternehmen die Wiedereröffnung der Wirtschaft genutzt, um bei einer hohen Nachfrage ihre Preise anzuheben. Außerdem hatte die Bundesregierung im letzten Jahr die Mehrwertsteuer gesenkt, um die wirtschaftlichen Folgen von Corona abzufedern. Damals hatte das viele Güter verbilligt, jetzt kehrt sich der Effekt um.

Interessant ist die Frage, wie es weitergeht. Zwei Wege sind denkbar. So könnte der Preisanstieg ein vorübergehendes Phänomen sein, weil die jetzt erhöhte Inflation eine Folge der Pandemie und anderer Sondereffekte sein könnte. So argumentieren unter anderem die Zentralbanken. Die EZB etwa will tolerieren, dass die Inflation über ihrem Ziel von 2 Prozent liegt, und kauft weiter Anleihen, um die Konjunkturerholung im Euro-Raum anzuschieben.

Doch selbst im Lager der Zentralbanken finden sich immer mehr, für die die zunehmende Geldentwertung keine temporäre Erscheinung ist. „Die Inflation ist nicht tot“, warnt etwa Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Auch im nächsten Jahr bestehe die Gefahr, dass die Preise weiter steigen. Carsten Mumm, Chefvolkswirt der Privatbank Donner & Reuschel, vertritt im Interview mit dem ETF Magazin eine ähnliche Sichtweise und nennt plausible Gründe.

John Greenwood, Chefökonom der Fondsgesellschaft Invesco, legt sich noch deutlicher fest. „Eine rasche Rückkehr zur Normalität nach der aktuellen, angeblich vorübergehenden, Inflationsepisode wird es nicht geben“, sagt Greenwood. Das starke Wachstum der Geldmenge werde dafür sorgen, dass sich der kurzfristige Preisdruck in eine anhaltende Inflation verwandelt.

Greenwood rechnet mit einer zweistufigen Entwicklung – in diesem Jahr mit einem vorübergehenden Inflationsschub im Zuge der Wiedereröffnung der Wirtschaft und danach mit einer hartnäckigeren Teuerung infolge der wachsenden Geldmenge, die sich in den beiden darauffolgenden Jahren herauskristallisieren werde. „Eines ist sicher, bis die Folgen von 15 Monaten sehr schnellen Geldwachstums voll zum Tragen kommen, werden mindestens 15 weitere Monate vergehen“, sagt Greenwood und glaubt, dass die US-Notenbank Federal Reserve früher als angekündigt mit dem Drosseln ihrer Anleihenkäufe und dem Anheben der Zinsen beginnen müsse.

Um sich gegen die Geldentwertung zu wappnen, können Anleger zu inflationsindexierten Anleihen greifen. Diese auch Linker genannten Wertpapiere bieten reale Renditen und Schutz gegen die Geldentwertung, weil die Höhe ihres Kupons an die Inflationsrate gekoppelt ist. Steigt die Inflationsrate, erhöht sich auch die Verzinsung der Anleihe.

Seit ihrer Erfindung in den frühen 1980er-Jahren haben Inflation-Linked Bonds zunehmend an Bedeutung gewonnen. Sinnvoll sind sie insbesondere für langfristig orientierte Investoren. Das können Privatanleger sein, aber auch Pensionsfonds und Versicherungsgesellschaften, deren Leistungen stark von der Inflationsentwicklung abhängen. Mit kurzfristigen, niedrig verzinsten Anleihen ist es diesen institutionellen Investoren in der Regel nicht möglich, ihre Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen, wenn Inflation und Zinsen steigen. Riskantere höherverzinsliche Anlagen können diese Institutionellen aus regulatorischen Gründen oftmals nur sehr begrenzt nutzen. Als Alternative zu traditionellen festverzinslichen Anleihen kommen daher für diese Anlegergruppe vor allem längerlaufende Staatsanleihen mit eingebautem Inflationsschutz infrage.

Fast ein Jahrzehnt verharrten die Inflationsraten in Deutschland und den USA auf sehr niedrigem Niveau. Doch jetzt schnellen die Raten aus dem Stand nach oben. Möglicherweise ist das ein vorübergehendes Phänomen, doch einige Fakten sprechen dagegen.

Ein weiterer Vorteil der inflationsgeschützten Anleihen ist ihre meist nur geringe Korrelation mit anderen Anlageklassen. Deshalb können sie in einem Portfolio für Diversifizierung und für eine Reduzierung des Risikos sorgen. Am größten ist ihr Diversifikationseffekt in einem aktiendominierten Portfolio. Aber auch innerhalb eines Rentenportfolios können Linker für eine Streuung des Risikos sorgen, die allerdings weniger stark ausfällt. Neben Inflationsschutz und Risikominderung bieten inflationsindexierte Anleihen Investoren einen weiteren Vorteil – und zwar als Renditetreiber. Werden beispielsweise die am Markt eingepreisten Inflationserwartungen von der tatsächlichen Teuerung übertroffen, dann kann das zu einer besseren Wertentwicklung von Realzins- gegenüber Nominalzinsanleihen führen. Unter Umständen können Linker in einer solchen Situation zusätzlich von nachfragebedingten Kursgewinnen profitieren.

Bei der Bewertung von Renditechancen mit Inflationsanleihen spielt die Analyse des Konjunkturzyklus eine wichtige Rolle. Während inflationsindexierte Anleihen in Phasen der Konjunkturerholung bei steigender Inflation attraktiver sind, versprechen normale Anleihen in Zeiten der wirtschaftlichen Stagnation bei sinkender Inflation eine bessere Renditechance.

Private und institutionelle Anleger können inflationsgeschützte Anleihen mithilfe von ETFs problemlos und kostengünstig in die eigene Asset-Allokation integrieren. Seit mehreren Jahren stehen zahlreiche ETFs mit inflationsindexierten Anleihen zur Verfügung. Seit Kurzem gibt es auch einen Renten-ETF mit einem modifizierten Ansatz zum Inflationsschutz. Dieser kann schon in einem Umfeld mit noch niedrigen Zinsen, aber langsam anziehender Inflationsgefahr punkten.

Der US-Enhanced-Inflation-ETF von Tabula Investment Management, einem jungen britischen ETF-Anbieter, der sich auf Zinsinvestments spezialisiert hat, berücksichtigt nicht nur die zuletzt berechnete US-Inflation, sondern auch die Inflationserwartungen der Marktteilnehmer. Der zugrunde liegende Index, den Tabula gemeinsam mit Bloomberg entwickelt hat, bildet die realisierte US-Inflation über ein breit diversifiziertes Portfolio an inflationsgeschützten US-Staatsanleihen ab. Zusätzlich fließen in den Index die Inflationserwartungen für sieben- bis zehnjährige Anleihen ein.

„Anleger profitieren somit nicht erst, wenn die Inflationsraten tatsächlich steigen, sondern bereits, wenn die Inflationserwartungen zunehmen“, erklärt Tabula-Chef Michael John Lytle. „Bisherig waren Anleger gezwungen, zwischen Fonds zu wählen, die entweder die Entwicklung der schon realisierten Inflation abbilden, oder solchen, die sich an den Inflationserwartungen orientieren“, sagt Lytle und ergänzt: „Tabula hat den Ansatz der inflationsindexierten ETFs also einen Schritt weitergedacht.“

Im größten Markt für inflationsindexierte Anleihen, den USA, spielen US-Treasury Inflation-Protected Securities, kurz TIPS, eine zentrale Rolle. ETFs auf diese Spielart der Inflationsanleihen sind von allen führenden Anbietern erhältlich. Einer der größten dieser ETFs ist der iShares USD TIPS mit einemVolumen von gut 2,8 Milliarden Euro. Mit Kosten von 0,10 Prozent pro Jahr ist der iShares USD TIPS einer der günstigsten TIPS-ETFs. Nur der Lyxor Core US TIPS liegt mit 0,09 Prozent etwas niedriger.

Der physisch replizerende iShares-ETF arbeitet mit der Sampling-Methode, enthält also nicht alle Anleihen aus seinem Basisindex, sondern nur so viele, wie zur möglichst genauen Abbildung der Indexentwicklung nötig sind. Der bereits Ende 2006 aufgelegte Fonds hat im laufenden Jahr – inklusive der thesaurierten Ausschüttung – bisher gut 7,50 Prozent hinzugewonnen, in Euro gerechnet. Über die vergangenen drei Jahre ergab sich ein Wertzuwachs von 22 Prozent.

In seiner Basisvariante ist der iShares USD TIPS nicht währungsgesichert. In Euro rechnenden und anlegenden Investoren steht aber mit dem iShares USD TIPS EUR Hedged eine abgesicherte Version zur Verfügung. Diese wurde erst 2018 aufgelegt, ist mit einem Vermögen von rund 511 Millionen Euro deutlich kleiner und mit Kosten von 0,12 Prozent pro Jahr etwas teurer. Der Wertzuwachs über die vergangenen drei Jahre war mit 17,4 Prozent etwas geringer als bei der ungesicherten Originalversion.

Im Gegensatz zu Tabula, die für ihren ETF einen eigenen Index haben entwickeln lassen, nutzen sowohl iShares als auch Lyxor den klassischen Bloomberg-Barclays-US-Government-Inflation-LinkedBond-Index als Zugang zu US-Inflationsanleihen. Den gleichen Index nutzt auch der UBS Bloomberg Barclays TIPS 10+ (USD), verfolgt dabei aber ein etwas anderes Konzept. Er repliziert die Indexbestandteile vollständig und konzentriert sich dabei aber auf Anleihen mit einer Restlaufzeit von zehn Jahren oder mehr. Die Zinserträge im Fonds werden halbjährlich an die Anleger ausgeschüttet. Seine Wertentwicklung von gut 42 Prozent über drei Jahre kann sich sehen lassen, dafür ist jedoch seine Gesamtkostenquote mit 0,20 Prozent pro Jahr recht hoch. Außerdem ist der ETF der Schweizer Großbank UBS mit einem Volumen von 41 Millionen Euro ein vergleichsweise kleiner ETF.

Anleger, die einen breiteren Zugang zu inflationsindexierten Anleihen suchen, werden unter anderem beim Xtrackers II Global Inflation-Linked Bond Hedged fündig. In dem ETF aus dem Hause DWS haben die USA zwar auch den Löwenanteil, sind aber nur noch mit rund 45 Prozent vertreten. Knapp 28 Prozent des Fondsvolumens entfallen auf Großbritannien, gut 8,5 Prozent auf Frankreich. Inflationsanleihen aus Deutschland finden sich kaum in diesem ETF. Sie machen gerade einmal 2,8 Prozent aus.

Der ETF ist nicht nur geografisch, sondern auch hinsichtlich der Emittenten breit aufgestellt. Neben inflationsgebundenen Staatsanleihen kann der unterlegte Index Papiere von quasistaatlichen Emittenten, wie etwa lokalen Regierungen oder staatlichen Banken, oder von supranationalen Emittenten enthalten. Um bei der monatlichen Neugewichtung den Sprung in den Index zu schaffen, benötigen die Anleihen einen Investment-Grade und müssen eine Restlaufzeit von mindestens einem Jahr haben. Der Xtrackers II Global Inflation-Linked Bond Hedged repliziert einen Total-Return-Index, was bedeutet, dass die Zinszahlungen wieder angelegt werden.

Fazit: ETFs auf inflationsindexierte Anleihen überzeugen durch ihre konzeptionelle Vielfalt und können ganz unterschiedlichen Anlegertypen helfen, sich für die weitere Entwicklung der Inflation zu positionieren.

Dieser Artikel stammt aus dem aktuellen ETF Magazin. Das ETF Magazin erscheint quartalsweise in Zusammenarbeit mit Focus Money und richtet sich an Berater, Vermögensverwalter und Portfoliomanager, ist aber sicher auch für informierte Anleger interessant.